Der Vorname

Ist eine super geschriebene Komödie in allerbester französischen Tradition, von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière.

Unsere Version davon lief im Theater Kontraste am Winterhuder Fährhaus in Hamburg, in der feinen Regie von Meike Harten. Eine ganz tolle Komödie für den gehobenen Boulevard.

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v.l.n.r.
Konstantin Graudus, Vivien Mahler, Sina-Maria Gerhardt, MOI, Markus Frank – Foto: S.M.Gerhardt

Keine Inszenierung, keine Rolle habe ich bisher sooft gespielt, und über einen derart langen Zeitraum entwickelt und verfeinert. Fast drei Jahre, in dicken Blöcken und insgesammt über 170 Vorstellungen haben uns dazu geführt, innerhalb der minutiösen Verabredung ungeahnte Freiräume in dieser Komödie zu entdecken; natürlich im Makrobereich.

Und wenn sich das Theater nicht aufgelöst hätte, wäre diese Forschung sicherlich noch weiter gegangen. Lachsalven und bisweilen auch Standing Ovations bestätigten uns, etwas sehr richtig gemacht zu haben.

Später haben wir uns gemeinsam den Stoff im Kino angesehen. Wir mochten einige uns neue Spielzüge und Pointen, auf die wir noch nicht gekommen waren. Die Figuren waren charakterlich anders positioniert, als bei uns. Dadurch hatten wir einen leicht schrägen Blick auf das Treiben; nicht ganz unvoreingenommen. Manche Herangehensweisen an Aufgaben, die einem der Text so stellt, gefielen uns auf Anhieb ganz und gar nicht.

Insgesammt fanden wir das Kinoerlebnis leider etwas mau, und das Publikum im Saal blieb auch entsprechend lauwarm. Jedenfalls der Grad an Erregung, den wir in den Theatervorstellungen gewohnt waren, hat das Lichtspiel nicht erreicht. Möglicherweise hat die Kinocrew es darauf gar nicht abgesehen; vielleicht war ihnen das Leise wichtiger.

Es kann aber auch sein, daß das Theater dem Kino überlegen ist, wenn es um die unmittelbare Kommunikation mit dem Publikum geht. Die Dinge können auf dem Theater ganz sicher leichter in die 12 geschossen werden, als vor der Kamera, wo man mehr auf Verdacht hin arbeitet, weil es eben keine wirkliche Publikumsreaktion gibt.

Andererseits gibt es vor der Kamera auch weniger Verführung „dem Affen jetzt Zucker zu geben“.

„Johanna auf dem Scheiterhaufen“ in der Elphi

Unverhofft durfte ich bei einem Oratorium in der Elbphilharmonie mitwirken. Es war giantisch von vorne bis hinten ! – Die magische Opernwelt, und ich mittendrin, als Sprecher, denn das Oratorium hat einige Sprechrollen zu besetzen.

Konzert- und Opernwelt mal ganz nah erlebt
Hinter dem Blech und den Kontrabässen im grossen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg – Foto: Utzerath

Internationale Stars der Schauspieler- und der Konzertwelt kamen zusammen. Grosses Orchester und mehrere Chöre, die eigens angekarrt worden sind, weil Hamburg das nicht wuppen konnte.  Dirigent Thomas Hengelbrock hatte den „Ozeanriesen“ locker im Griff. Und die Musik von Arthur Honegger hob einen fort, wie der Sturm den fliegenden Robert im Struwwelpeter. – Es war mein erster professioneller Kontakt mit der Opernwelt, und ich habe diese Zeit und Arbeit sehr genossen. Immer wieder passsiert es mir, dass ich von jetzt auf gleich wie in einer Mondrakete in fremde Sphären fliege. Zum Glück habe ich einen funktionierenden Fallschirm, und so lande ich weich in der Realität. – Wie muss es Leuten gehen, die eigentlich nie landen und nur unterwegs sind ?

Tartuffe – Es liesst sich leicht und fluffig

Das war der zweite Tartuffe, bei dem ich die Ehre hatte mitzuspielen. Jeweils in unterschiedlichen Lebensaltern.

Tartuffe - die Zweite. Die korrekte Haltung des Glases hat mich beinahe den Verstand gekostet.
Hier als Cléante – Foto: Oliver Fantitsch

Aber beide Versuche nutzten die Übersetzung von Wolfgang Wiens und haben gezeigt, dass dieses Stück Weltliteratur extrem schwierig ist auf die Bühne zu bringen; selbst für Regisseure mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund. Tartuffe benötigt einen ungeheuer vitalen inszenatorischen Zugriff, sonst fliegt es einem um die Ohren. –  Gehobener Boulevard ? Völliges Missverständnis !

Das Abo-Publikum hat das bei beiden Inszenierungen, die ich in dieser Hinsicht erlebt habe, nicht bemerkt, dazu ist es dann doch zu wirkungsvoll geschrieben, und die Rolle der Dorine muss es dann herausreissen; was auch beidmalig gelang. Aber die Fachleute konnte man damit nicht täuschen, und die haben ihr Gesicht verzogen, wie wenn sie in eine saure Zitrone gebissen hätten.

Unter Umständen begegnet mir dieses Stück noch ein Drittesmal, und dann soll es aber ein Erfolg werden. Es ist ein super Stück. Und eine super Inszenierung davon, nämlich die von Dimeter Gottscheff am Thalia, habe ich leider leider verpasst. – Ich könnte mir in den Arsch beissen.

Warten auf Godot

Warten auf Godot am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg zu probieren war hartes Brot und eine meditative Schauspielübung.

Für diese Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater brauchte ich sehr viel Kraft.
Als Lucky – Foto: Oliver Fantisch

Wie das Bild vermuten lässt, scheuerte auf der Probebühne vom Ernst-Deutsch-Theater wochenlang ein schwerer Strick an meinem Hals. Gegen das Wundreiben wurde während der Proben ein Frottéehandtuch zwischengelegt.  Das war aber noch nichts gegen die schauspielerische Arbeit selbst, die in dem berühmten Lucky-Monolog gipfelte.

Doch die Mühe hat sich gelohnt: Die Arbeit mit Gerd Heinz brachte mir schöne Vorstellungen, häufig Szenenapplaus, sowie ein Gastspiel nach Berlin an das Schlosspark-Theater. Dort habe ich 1992 mit Hannelore Hoger und Harald Juhnke in dem Stück Alpenglühen debutiert. – Die Godot-Kollegen waren nun aber Werner Rehm, Charles Brauer sowie Uwe Friedrichsen. Letzterer befand sich stets am anderen Ende des Stricks, und entgegen allen vorausgehenden Unkenrufen haben wir uns gut verstanden.

Er gab mir folgenden Tip für Interviews: „Erzähle keinen Scheiss und greife niemanden an.“

Volkstheater München: „Port“

Nach meinem Ausscheiden in Hamburg habe ich gastiert, beispielsweise in München in der Brienner Strasse.

Dort war damals Christian Stückl der Intendant vom Volkstheater und er musste die Inszenierung von „Port“ vollenden, weil der Regieanfänger, der damit betraut war, Probleme hatte, die Sache premierenreif zu machen. – Irgendwie bin ich aber mit Stadt und Leuten dort nicht warm geworden, und das hat meine Entscheidung in Norddeutschland zu leben im Nachhinein bestätigt.

Dazu kam hinzu, dass ich damals unglücklich verliebt war, und vom Theater auf 10qm Wohnraum unter dem Dach untergebracht worden bin. Es war ein verregneter Frühling, der Papst war gerade gestorben, und ich sass frustriert in meiner Zelle über dem Theater und guckte mir wochenlang den Regen an.

Mit eingeflogener Perücke, sowie mit falschen Koteletten im Volkstheater.
Als Malocher in dem Stück „Port“ Foto: privat

Ein Lichtblick war der Kollege Thomas Kylau. Er war fest am Volkstheater engagiert, und wir teilten uns eine Garderobe. Dort haben wir uns sehr gut verstanden. Ich besuchte ihn zuhause zum Tee und war beeindruckt von der Fülle seines Schauspielerlebens, vom dem er mir berichtet hat. Eine Menge an Fotos und Souvenirs schmücken sein Wohnzimmer und zu jedem Stück gibt es eine Geschichte. Viele Berühmtheiten, deren Namen sich heute längst im Orkus befinden, kreuzten seinen Weg.

„Emilia Galotti“

Mit dem Stück konnte ich mich leider nicht angemessen befassen. Denn nach 8 Jahren Festengagement an einem grossen Haus in Norddeutschland wollte man mich dort nicht länger behalten. Und mich ergriff die Panik.

Um mir die Kündigung nahezulegen, bekam ich zusehens unbedeutende Rollen, wie zum Beispiel den Maler Conti im bürgerlichen Trauerspiel  Emilia Galotti. – Der sagt auf die Frage:“ Wie leben Sie ? Was macht die Kunst ?“ den berühmten Satz: „Die Kunst geht nach Brot.“ – Ich empfand es als hinterfotzig, mich in der Kündigungssituation diesen Satz sagen zu lassen.

Und um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, hat man in dieser Zeit mein Foto im Schaukasten mit dem Banner: Ausverkauft überklebt.

Kein Wunder, dass ich in dieser Zeit schlechte Qualität abgeliefert habe. Wenn sich nach und nach die künstlerische Leitung von einem abwendet, und man im Ensemble isoliert dasteht.

Auf der Abschussliste stehend; Foto: privat

Die Kollegen haben sich von dieser Antistimmung aber nicht anstecken lassen, was nun wirklich für sie spricht.

Für diesen kleinen Auftritt also,  zu Beginn des Stücks, bekam ich eine dunkle Pilzkopfperücke verpasst, natürlich aus Echthaar, wie sich das für ein Haus in dieser Liga gehört, und einen aus der Hand geklebten Bart. Das heisst, hier ist jedes Barthaar einzeln aufgeklebt worden.

Hinter dieser Maske sah es natürlich desolat aus, denn zeitgleich hat mich meine damalige Agentur unsanft vor die Tür gesetzt; ein Unglück kommt selten allein, und gerade in dieser Branche ist der Dominoeffekt sehr gefürchtet.

Das ist nun schon bald 20 Jahre her, und ich habe diese Schikanen überstanden. Mittlerweile bin ich Vater geworden und Hobbyimker, und habe viele bessere Rollen gespielt, und all das war damals nicht abzusehen. – Und so bleibt von der ganzen Chose nur ein schaler Geschmack im Mund übrig; und gelegentlich Brechreiz, wenn ich an bestimmte Namen denke.

 

Mère Courage et ses enfants

Noch nicht einmal diplomiert bekam ich einen Dreijahresvertrag am Thalia-Theater in Hamburg. Zum Einstand ging es für einige Monate nach Paris ans Théâtre National De Chaillot. – WOW ! – Dort spielten wir 63mal „Mutter Courage und ihre Kinder“ auf französisch und anschliessend noch 10 Vorstellungen auf deutsch, während der Wiener Festwochen. Und ich kam mir vor, wie von den Göttern geküsst.

Foto: Tino Rothert, mit grossem Dank für dieses Dokument.

Da waren auch die Engel nicht weit; einer hiess Céline und danach kam noch ein anderer, nämlich Isabelle. Tagsüber Schlendrian und nachts mit dem Taxi in die Rue Oberkampf. So hätte es jahrelang weitergehen können. Geld war genug da.

Es war eine unglaubliche Zeit, und ich war unglaublich jung. Das Bild zeigt mich als Schweizerkas (der in der französischen Fassung „Petit Suisse“ heisst) neben meiner Bühnenschwester, die von Anna Thalbach gespielt worden ist. In ihrem Bauch befand sich die Tochter, die mittlerweile erwachsen ist und auch schon auf der Bühne steht. Katharina Thalbach war unsere Mutter, und Nicky von Tempelhoff unser Bruder Eilif. Mit Nicky war ich danach einige Jahre zusammen am Thalia-Theater fest engagiert. Aber in Paris wohnten wir sogar zusammen in einer traumhaft malerischen Butze, mit gurrenden Tauben auf dem Dach; original wie aus der Zigaretten-Werbung. Wir haben geraucht wie die Schlote. Und es war Frühling !

Das ist bald 30 Jahre her, und manchmal denke ich, es können doch höchstens 10 Jahre sein. – Die Theatergötter haben dann andere junge Schauspieltalente geküsst, und ich kam wieder zurück auf die Erde. Damals gab es in Frankreich Minitel; ein Vorläufer des Internets, der es nicht bis Deutschland geschafft hat. Guntbert Warns spielte in der deutschen Fassung den Feldprediger und besass als einziger ein Handy. Das war so gross und schwer wie ein Schraubenschlüssel für Brückenköpfe.

In Paris habe ich auch meine Diplomarbeit über ein Dialogfragment aus der Nummer des Clowns „Grock“ geschrieben. – Eine Arbeit, die ein für mich überraschendes Ergebnis brachte: Ich hatte nicht erkannt, dass der Dialog ein Monolog war.  Das gab dann Punktabzug, was mich durchaus geärgert hat. – Doch für mein Fortkommen war das vollkommen unerheblich.

(26 Jahre später habe ich den Professor, der diese Arbeit mentoriert hatte, wiedergetroffen. Er ist optisch allerhöchstens um 5 Jahre gealtert. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat. Wahrscheinlich mit Disziplin & Sport.)

Und nach den Sommerferien 1995 begannen für mich acht Jahre Schauspielerdasein in Hamburg im Ensemble des berühmten Thalia-Theaters. Das wäre echt ein Buch.

 

TV & Kino

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