The Zone Of Interest

2021 konnte ich den längst fälligen Fachwechsel vollziehen und wurde eindeutig als alter weißer Mann besetzt.

Mittlerweile darf ich es sagen, um welchen Film es sich handelt. Eingangs hatte ich eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet, die 1 Jahr lang gegolten hat, und ich hatte selbst nicht gewußt, ob ich für das Kino oder für das Fernsehen gearbeitet hatte.

Ja, mir war nicht einmal ein Drehbuch ausgehändigt worden, sondern nur eine Anzahl Zettel mit Text. – Am Set hatte ein absolutes Fotografierverbot bestanden, und so habe ich hier kein Bild, das ich einstellen könnte.

Soetwas hatte ich noch nicht erlebt gehabt, aber das Team und die Produktion waren allesamt entzückende Leute gewesen, und ich hatte eine tolle Zeit erlebt, denn es war mal wieder ins Ausland gegangen; und das liebe ich doch so sehr. – Das Ganze fand im August 2021 statt, also mitten in der Coronazeit, und die Einreise nach Polen war spannend, aber auch die Ausreise, ob sie glatt verlaufen oder nicht.

Es ist über Amsterdam und Krakau nach Oswiecim gegangen. Früher hatte dieser Ort Auschwitz geheißen, und der Kinofilm The Zone Of Interest gewann auf dem 76. Festival de Cannes den Grand Prix und den Prix CST de l’Artiste-Technicien.

Herzlichen Glückwunsch dem Regisseur Jonathan Glazer, dem Sound-Team und auch uns allen anderen Beteiligten !

In diesem Film habe ich eine historische Figur gespielt. Den Ingenieur Fritz Sander, Prokurist der Firma Topf & Söhne. Eine Fabrik, die Öfen für Krematorien hergestellt hat.

Ein selten genutztes Szenenbild mit Ringofenplan und mit mir am äußeren rechten Bildrand habe ich hier gefunden.

Der Film hat bei den 96th Academy Awards im Jahr 2024 zwei Oscars gewonnen. Als bester internationaler Film und für den besten Ton.

Es ist schon großartig, bei einem oscargekrönten Film mitgemacht zu haben.

Zum offiziellen Start des Films in Deutschland erreichte mich eine eMail von der Spitzenschauspielerin Susanne Wolff:

Lieber Benjamin, ich war gestern in „Zone Of Interest“, ich bin fast nach vorne gekippt, als ich Dich sah. DU BIST DER WAHNSINN, SO GROSSARTIG !!! […] allerherzliche Grüsse, Susanne Wolff

In meinem ganzen Berufsleben habe ich noch nie zuvor ein so tolles Lob erhalten, wie dieses. Zumal von einer preisgekrönten, etablierten und hochkarätigen Schauspielerin, die ich als bodenständige und sehr umgängliche Kollegin am Theater in Erinnerung habe. Das freut mich außerordentlich ! Das schätze ich sehr hoch !

Ligabue – Volevo Nascondermi – Hidden Away

Im September 2018 nahm ich an einem e-casting für einen italienischen Film teil, der sich um das Leben des Malers Antonio Ligabue dreht.

Der Originaltitel heißt: Volevo Nascondermi; der englische Verleihtitel schliesslich : Hidden Away.

Gesucht wurde jemand, der den Direktor eines Kinderheims für schwererziehbare Kinder und Jugendliche spielt.

Ich habe den Zuschlag erhalten und gedreht wurde in den Bergen von Alto Adige. – Die Tage dort waren sehr schön; ich geniesse es immer, wenn ich mit anderen Mentalitäten und Herangehensweisen in Berührung komme. Hier wirkte alles auf den ersten Blick etwas chaotisch und improvisert, aber das täuschte gewaltig, schliesslich handelte es sich um ein grösseres Projekt und alles gelang, was gelingen sollte.

Benjamin Utzerath als Direktor Norman Graf - Foto: Benjamin Utzerath
Benjamin Utzerath als Direktor Norman Graf – Foto: Benjamin Utzerath

Besonders interessant fand ich die eindeutige Vorliebe für ausgeprägte Nasen und ungewöhnlich geschnittene Gesichter. So gab es tagelang wunderschöne Renaissanceprofile zu bewundern, wie man sie in Deutschland vergeblich sucht. Geradezu eine Galerie an überwältigendem Ausdruck. Es war wirklich erhebend und erfrischend, das italienische Besetzungsschema kennenzulernen.

Ein Schloss aus dem 13.Jahrhundert, ursprünglich eine Wehrburg im Tisner Mittelgebirge, diente als martialische Kulisse. Also, ich habe nun schon wieder in einem Schloss gedreht; es war nun das Dritte. Und es war natürlich saukalt, doch immer noch temperiert genug, um gut arbeiten zu können. – Doch eins wurde mir klar: Wohnen möchte ich nicht in so einem Gemäuer, ganz gleich wie grosszügig die Räume auch sein mögen.

Regisseur Giorgio Diritti nahm sich schön Zeit, die Dinge, um die es ihm ging, herausarbeiten zu können. Wir haben viel probiert, und niemand machte Druck wegen Zeitplan oder soetwas. Infolgedessen waren es natürlich lange Tage, doch umso schöner dann, wenn man das Gefühl hat, die Mühe habe sich gelohnt.

Der Film behandelt ein italienisches Thema. Und da der Anton Ligabue in Deutschland kaum bekannt ist, darf man hoffen, dass der Film vielleicht zu einem Geheimtipp werden kann, Menschen zu begeistern, die sich für die bildende Kunst interessieren.

Der Film lief 2020 auf der 70.Berlinale im Wettbewerb.

Die Casterin Barbara Daniele schrieb mir:

Es war eine Freude, mit Ihnen gearbeitet zu haben, so viel Professionalität und Einfachheit.

Notruf Hafenkante

In der ZDF-Erfolgsserie Notruf Hafenkante habe ich einen Lotto-Millionär gespielt, der in seiner Villa überfallen worden ist. Die Regie führte Neelesha Barthel. Ich liebe Krankenhäuser aus Sperrholz und Plastik über viele Hundert Quadratmeter und nur teilweise mit Plafond.

Lotto-Millionär, vorher – Foto: Selfie

Der Fussboden sah täuschend echt aus, wie Linoleum oder PVC. Ich musste wirklich dreimal hingucken, bis mir klar wurde: Das ist bemalte Spanplatte. – Ähnlich verhielt es sich mit den Glasbausteinen, dem falschen Fahrstuhl, der automatischen Tür: Alles Fake, es war herrlich !

Gedreht wurde mit zwei Kameras gleichzeitig, sodass wir die Szenen durchgespielt haben. Das kam mir sehr entgegen und erinnerte mich an Theater, obwohl es doch eine ganz andere Tätigkeit ist.

Neelesha Barthel liess uns Schauspieler einfach machen, und mir gefiel ihr feiner Humor, und natürlich, dass sie mit unseren schauspielerischen Angeboten etwas anfangen konnte. Das war sehr souverän von ihr, und alles andere als selbstverständlich; wenn ich da an so manchen Haarspalter denke.

Lotto-Millionär, nachher – Foto: Selfie

Jeanette von der Maske hatte viel unterschiedliches Blut zur Auswahl. Ganz nach Bedarf, ob flüssiger oder zäh und modellierfähig, dunkler oder hell. Mal aus der Flasche, mal aus der Tube. Es war wirklich sehr beeindruckend und sah im Endeffekt erschreckend echt aus.

Die medizinische Fachbetreuung bei den Krankenhausszenen war fachmännisch und gleichzeitig professionell mediengerecht. – Und immer fröhlich, auch wenns grad zeitlich eng wird. Überhaupt war die starke Freundlichkeit aller Kolleginnen und Kollegen angenehm auffallend (auch das ist leider keine Selbstverständlichkeit), sodass ich einige sehr schöne Tage dort im Studio und am Aussenset verbracht habe.

Ich spiele ein ausgemachtes Weichei mit ordentlich Hinterland. So wird klar, was die Ehe zusammenhält. Sie ist die Macherin, und er ergänzt die Beziehung mit Gefühl.

Der Zeitschere ist leider eine lustige Szene am Getränkeautomaten zum Opfer gefallen. Der Lottomillionär bittet die Krankenschwester um Geld für einen Kakao. Übrig geblieben ist davon nur der Sturz im Flur. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den ohne Blessuren hinbekomme; immerhin ist es fast 30 Jahre her, dass ich Beeks Falltechnik gelernt hatte.

„Francofonia“ – Opus über Kunst und Krieg

Kurz nach der Geburt meiner Tochter Louise kam ein Anruf mit der Bitte, mal schnell zu einer Anprobe nach Paris zu kommen. – Allô !?

Der russische Meister-Metteur-en-szène Alexandre Sokurov hat mich als guten Nazi-Offizier in Sachen Kunst besetzt. Als Banause hatte ich noch nie etwas von diesem Regisseur gehört oder gesehen und holte dies blitzschnell nach, bevor ich zur Anprobe nach Paris flog. Damit ich ungefähr im Bilde bin, wofür Sokurov steht. Mindestens für einen goldenen Löwen in Venedig; jeder Cineast kennt ihn. Ein Dinosaurier, dessen Name in einem Atemzug mit Andrei Tarkowski genannt wird.

francofonia-von-alexander-sokurov
Jeden Morgen wurden meine Haare neu gefärbt. – Foto: Alexej Jankowski

Es war eine sehr aufregende Zeit, in dem Louvre-Opus über Krieg und Kunst mitzuspielen. Und ich könnte jetzt sehr viele Seiten darüber schreiben, was ich während der Dreharbeiten alles erlebt habe, und wie anders und unkonventionell dieser Meisterregisseur arbeitet.

Es war ein echtes Highlight. Sowohl in meinem Schauspielerdasein, als auch in meiner privaten Biographie.  Darüber wie ich  zu dieser Ehre gekommen bin, mit Sokurov – und im Ausland zu arbeiten, obgleich meine Französischkenntnisse dies überhaupt nicht verlangen – erreichten mich verschiedene Erklärungen. Am besten gefiel mir die von Sokurov selbst: Er habe nämlich A) einen original Deutschen Schauspieler besetzen wollen und B) habe meine Bienenhaltung den entscheidenden Ausschlag gegeben, sich für mich zu entscheiden. Das finde ich noch immer super ! – Wie überhaupt der ganze Besetzungsakt überraschend bodenständig vor sich ging; also de facto im Blindflug. Die haben mich einfach gecastet, ohne langwieriges Procedere.

Vom Windeleimer direkt auf den Lido zum roten Teppich eingeflogen. – Foto: S. Caër

Der Film wurde recht lang und aufwändig nachbearbeitet, mit computeranimierten Effekten und Dekorationen, die es realiter gar nicht gab. Und dann erreichte mich  eine Einladung nach Venedig ! wo der Film 2015 auf der 72. Biennale lief; auch ohne dort einen Löwen gewonnen zu haben, war der Film immerhin dafür nominiert worden, und Monsieur Sokurov nahm einen anderen Preis entgegen, nämlich den Mimmo-Rotella-Preis. Von dem wusste niemand so recht, und infolgedessen sind wir auch underdressed zur Preisverleihung erschienen, in der falschen Annahme, es ginge in eine Pizzeria.

Die offizielle Web-Site von Francofonia.

Bis 8/5/19 gab es das Werk auf arte zu sehen

Sesamstrasse – Eine Möhre für Zwei

Hier konnte ich den Beruf mit meinem Hobby verbinden. Das hat natürlich doppelt Spass gebracht. – Seit meiner Kindheit rätselte ich darüber, wie das mit den Sesamstrasse-Puppen funktioniert. Und jetzt weiss ich das endlich.

Klar war, das eine Figur zwei Spieler benötigt, doch wie das genau funktioniert, konnte ich nicht ahnen und es blieb ein Geheimnis. 

Es war ein besonderes Erlebnis den Puppenspielern bei ihrer Arbeit zuzusehen, und ein bischen bin ich auch neidisch gewesen auf diese tolle Tätigkeit. Ich hätte auch gerne so eine Figur, für die ich dann der Spezialist bin. – Die Puppen selbst sind in der Tat Fernsehstars, und sie werden dementsprechend behandelt: Wie rohe Eier. Sie haben einen Assistenten, der sie hegt und pflegt, sie mit einer extra Bürste kämmt und abschirmt von allem Groben und vor Schmutz.

Sesamstrasse und ihre Logos sind Markenzeichen von Sesame Workshop. Alle Rechte vorbehalten. Bild: Thorsten Jander, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion

Die Blumen im Bild wurden übrigens extra ins Set gestellt. Sie befanden sich in Töpfen auf einer Bank, und das ganze Ensemble ruhte auf einem Podest, das man auf einer Sumpfwiese eingerichtet hat. Die Bienenstöcke in der Sendung waren nicht meine eigenen, und während der Dreharbeiten zog aus einem von ihnen ein Schwarm aus. Ich hatte soetwas noch nicht erlebt, weil ich als Imker Schwarmverhinderung betreibe. Es war wirklich ein Naturschauspiel, diese Bienenwolke, die sich dann an einem hohen Ast zu einer Traube sammelte. Doch der Schwarm flog weiter und entschwand, bevor man ihn filmen konnte oder gar einfangen.

Dokudrama „Die nervöse Grossmacht – Vom Reich zur Republik“

Kostümaufwand macht natürlich Spass. Schon die Auswahl des richtigen Bartes ist ein grosses Vergnügen, besonders wenn das Angebot stark ist. Und bei einem Dokudrama von epischem Ausmass, ist die Ausstattung natürlich entsprechend.

Falscher Bart im echten Dokudrama von weiss nicht wieviel Teilen
Als reaktionärer Geheimdienstler Wilhelm Stieber – Foto: Utzerath

Gedreht haben wir in einem halb verfallenen Herrenhaus bei Jena. Das Parterre war noch gut erhalten. Und in den oberen Etagen sah es dann schon anders aus. Die DDR hatte zeitweise ein Kinder- und Jugendheim darin unterhalten, und diverse bauliche Massnahmen, mit dem Charme einer behördlichen Aussenstelle, zeugten davon. Aber nun wurde es für unser Dokudrama feudal und wilhelminisch aufgepeppt.

Mit dem Regisseur Bernd Fischerauer verstand ich mich in der Arbeit sehr gut. Leider ist er schon verstorben, und so blieb es bei dieser einzelnen Zusammenarbeit. Im Vorfeld sollte ich zu einem Kennenlerngespräch nach Berlin kommen. Das Gespräch dauerte ungefähr 5 Minuten und für nähere Fragen zu Rolle und Projekt schien es keine Zeit zu geben; es mussten noch andere Schauspieler kennengelernt werden. Beim Drehen selbst, war das dann allerdings anders. Hier öffnete er seine Pforten und nahm sich Zeit.

 

Zum Sprecher

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